Festspiel-Steckbrief • Christoph Bauch

Technischer Direktor der Bayreuther Festspiele seit 2015

Christoph Bauch vor dem Bühnenbild für die Meistersinger und Parsifal

Mein Werdegang …

… begann in Dresden, wo ich auch geboren wurde. Ich habe an der Semperoper eine Ausbildung zum Tischler gemacht und dann immer weitere Stufen erklommen: Zunächst war ich Bühnenarbeiter, später Vorarbeiter, Meister, Obermeister, Leiter der Bühnentechnik, Technischer Leiter, bis ich schließlich stellvertretender Technischer Direktor wurde. Es folgte ein Engagement am Theater Bremen als Technischer Direktor und anschließend als Technischer Leiter am Theater an der Wien.

Als Technischer Direktor der Bayreuther Festspiele …

… bin ich für alle Bereiche zuständig, die mit der Technik zusammenhängen. Das betrifft die Immobilie an sich, alle technischen Anlagen, die Haustechnik von der Lampe im Büro über die Dachrinne im Werkstattgebäude bis zur Heizung ebenso wie die komplexen bühnentechnischen Anlagen. Hinzu kommen die Personal- und Budgetverantwortung sowie der Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz – und momentan auch noch die Bausanierung des Festspielhauses, bei der ich einen Teil Bauherrenvertretung innehabe. Ein weiterer großer Teil ist die Produktion der Bühnendekoration in den Werkstätten. In der Technischen Abteilung arbeite ich mit einem Stamm von 26 Mitarbeitern aus verschiedenen Gewerken, darunter acht Schlosser, vier Schreiner, vier Elektriker, ein Plastiker, eine Malerin, zwei Mitarbeiter in der Beleuchtungsabteilung, ein Haustechniker und ein Materialverwalter. Hinzu kommen ein Mitarbeiter für die gesamte Personalplanung und diverse Betriebsabläufe, der auch die Fachkraft für Arbeitssicherheit ist, ein Mitarbeiter für Produktion und Vergabe und noch ein Konstrukteur. Zur Festspielzeit akquirieren wir in der Technik rund 150 zusätzliche Mitarbeiter. Die genaue Zahl ist dabei schwer zu bestimmen, da einige Mitarbeiter am Anfang der Saison auf den Grünen Hügel kommen und früher wieder gehen, andere kommen mittendrin und bleiben bis zum Ende. Im Grunde sind die Ressourcen ziemlich knapp, aber gerade ausreichend, um unsere Produktionen abzudecken. In Bayreuth spielen wir groß, kompliziert und vor allem anspruchsvoll. 150 Personen, das klingt subjektiv betrachtet nach viel, doch bei 13 Wochen Proben- und Vorstellungsbetrieb mit sieben Werken, in denen der Tagesablauf eng gestrickt ist und logistisch auf die Minute geplant werden muss, ist die Personalauslastung schon extrem hoch.

An einem Arbeitstag außerhalb der Festspielsaison …

… beginne ich um 7 Uhr in der Früh. Ich begleite mit meinen Mitarbeitern die Arbeiten in den Werkstätten, diskutiere Fragen zur Produktion der Dekoration, beschäftige mich mit Anschaffungen und Investitionen, sitze in vielen Budgetbesprechungen mit der Geschäftsleitung. Wir organisieren zudem Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter oder akquirieren Saisonkräfte, planen die folgenden Produktionen und vieles mehr. Jetzt (im Februar) sind wir mitten in der Herstellungsphase für das Bühnenbild der Neuproduktion des Lohengrin, die Dekoration muss im späten Frühjahr fertig sein für die Funktionsproben der Bühnenelemente. Gleichzeitig sind wir auch schon mit den Vorbereitungen für die Neuproduktion 2019 – also dem Tannhäuser – beschäftigt. Hinzu kommen fünf Wiederaufnahmen, zu denen wir im Sinne der Werkstatt Bayreuth Änderungswünsche bearbeiten. Um das alles zu bewerkstelligen, haben wir im Herbst bereits auf den Probebühnen Platz geschaffen. Die Bühnendekoration des abgesetzten Werkes wird verschrottet, wiederverwertbare Dinge werden aufgehoben oder demontiert. Außerdem unterliegen das Bühnenhaus und die Werkstätten diversen gesetzlichen Vorschriften, es finden also zum Beispiel TÜV-Prüfungen und technische Abnahmen statt. Jede Maschine, jeder Scheinwerfer wird gewartet, Geräte werden repariert. Das betrifft sowohl die computergesteuerte Unter- und Obermaschinenanlage, zum Beispiel die Seilzugsysteme im Schnürboden, wie auch die hydraulische Anlage in der Unterbühne – alles hochkomplexe Maschinen. Ebenfalls finden im Herbst oder Frühjahr sogenannte Bauproben für die darauffolgende Neuproduktion statt. Bei diesen Bauproben wird etwa kontrolliert, ob das Bühnenbild räumlich so funktioniert, wie man sich das vorstellt, es wird geprüft, ob die Sichtlinien gut sind, und wir testen auch schon mal spezielle Effekte. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die technische Planung. Wir haben also auch außerhalb der Saison alles andere als Stillstand.

In der Theaterwerkstatt mit Teilen des Tristan-Bühnenbildes

24 Stunden während der Festspielzeit …

… sind eine logistische Meisterleistung. Die Frühschicht beginnt zwischen 5 und 7 Uhr. Bis spätestens eine halbe Stunde vor Publikumseinlass müssen wir mit der Einrichtung von Bühne und Beleuchtung fertig sein. Hat die Vorstellung begonnen, finden Umbauten zwischen und innerhalb der Akte statt. Nach der Vorstellung wird das Bühnenbild dann so zerlegt, dass es auf die Probebühnen transportiert werden kann, und der Schnürboden wird für den nächsten Tag eingerichtet, das kann schon insgesamt bis 3 Uhr nachts dauern. Der rechtlich vorgegebene Arbeitszeitrahmen von zehn Stunden ist dabei immer voll ausgereizt.

Vor allem während der sechswöchigen Endprobenphase bleibt uns in der Technik nur wenig Luft zum Atmen. Ende Mai starten wir mit der technischen Einrichtung der Neuproduktion. Dafür wird die Dekoration auf der Bühne komplett eingerichtet und zusammen mit dem Regieteam die Bühne Szene für Szene eingeleuchtet. Das dauert etwa eine Woche. Danach beginnen die szenischen Proben zunächst mit den Solisten und Klavierbegleitung, später mit Chor und Orchester. Als nächstes werden die Wiederaufnahmen geprobt, wobei wir dafür jeweils zwei bis vier Tage Zeit haben. Bei so vielen beteiligten Personen ist das eigentlich die stressigste Phase, in der alles technisch genauestens koordiniert sein muss.

Meine Arbeit am Grünen Hügel ist einzigartig, weil …
… hier gebündelt die größten Wagner-Produktionen zur Aufführung kommen, das gibt es in dieser Dimension an anderen Opernhäusern nicht. In Bayreuth spielen wir nur die dicksten Dinger, und das direkt hintereinander. Parallel sind hier im Sommer vier oder fünf anspruchsvolle und hochsensible Regieteams vor Ort. Es macht einfach großen Spaß, auf so einem hohen Niveau, mit so einem Aufwand und mit diesem Ergebnis Festspiele durchzuführen.

Ein besonderes Erlebnis bei den Festspielen …

… ist immer der Moment, wenn das Bühnenbild zum ersten Mal in Originalgröße und mit Originalbeleuchtung auf der Bühne steht und alles so funktioniert, wie man sich das vorher in der Theorie am kleinen Modell gedacht hat. Aber es gibt natürlich auch jeden Sommer spezielle Ereignisse, die in Erinnerung bleiben, wie Gewittergüsse und Starkregen im August, die mit Wassereintritt ins Haus einhergehen. Oder Dinge, die live passieren. Wie etwa letztes Jahr, als Frau Foster sich am Bein verletzt hat und sie und wir improvisieren mussten. Sie hat dann trotzdem weitergesungen, gespielt wurde aber von einem männlichen Assistenten im goldenen Gewand einer Operndiva. Das war der Knaller und hat am Ende auch gut funktioniert. Da bekommt man schon mal Schweißperlen auf die Stirn. Natürlich hängt man auch in der Technik mit dem Herzen an den künstlerischen Dingen. Wir haben uns darum zu kümmern, allem, was den Status der Kunst gefährdet könnte, das Risiko zu nehmen, Dinge zu ermöglichen und permanent in Richtung Kunst zu reagieren. In diesem Sinne sind wir Dienstleister für die Kunst.

Die Musik Richard Wagners …

… finde ich genial. Man merkt bei der Auseinandersetzung mit seinem Werk recht schnell, dass Wagner nicht nur Visionär war, sondern wirklich etwas Einmaliges geschaffen hat. Sein Anspruch, eine wirklich volle Konzentration auf das Kunstwerk zu ermöglichen, hat natürlich auch auf die Technik Auswirkungen. Die Akustik etwa ist in Bayreuth hochspeziell und sehr gut. Dafür ist auch der Anspruch an die technische Umsetzung sehr hoch – auf diesem hohen Niveau kenne ich das von keinem anderen Opernhaus. Alles muss so gut wie lautlos und sekundengenau passieren, vom Bedienen der Scheinwerfer bis zu den Umbauten auf der Bühne. Es ist hier nun einmal die Spielstätte, die Richard Wagner selbst erfunden hat, und somit entsteht zum Beispiel bei einer Götterdämmerung in Bayreuth auch ein anderes Feeling als bei einer Götterdämmerung andernorts. Das Haus ist eben speziell für seine Musik gedacht und gemacht und für nichts anderes.

Wenn ich nicht gerade am Grünen Hügel bin, …

…verbringe ich die Zeit in Berlin bei meiner Lebensgefährtin und unserem zweijährigen Kind, meine zwei großen Söhne sind schon selbstständig. Der Sommer ist natürlich sehr vollgepackt. Aber außerhalb der Saison ist eine Arbeitswoche von Montag bis Freitag für einen Theatermenschen natürlich sehr charmant, obwohl die Woche ja ebenso gefüllt ist wie an anderen Häusern auch. Trotzdem kommt ein anderer Rhythmus rein, da bleibt natürlich mehr Zeit für Familie oder zum gut Kochen, sich mal eine Ausstellung oder andere Theateraufführungen anzusehen oder eben einfach mal ein paar Tage Kraft zu schöpfen.

Jahr für Jahr wird es während der Festspiele am Grünen Hügel lebendig. Danach, so scheint es, fällt das Festspielhaus in einen langen Winterschlaf, um erst im darauffolgenden Sommer wieder zum Leben erweckt zu werden. Doch der Schein trügt: Etwa 80 Mitarbeiter sind ganzjährig bei den Festspielen beschäftigt, im Sommer sind sogar an die 1000 Menschen in den Theaterbetrieb eingebunden. Die meisten von ihnen bleiben dabei für die Gäste im Verborgenen. Wer diese Menschen sind und welche Aufgaben sie haben, stellen wir an dieser Stelle vor.

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